C D s
|
NEUES AUS
DER MUSIKWELT
KLASSIK
M auricio Kagel
KLAVIERTRIOS NR. 1-3
Trio Imàge
CAvi-music/HM CD_____________________ (78)
Natürlich ist das Klaviertrio ein
altehrwürdiges Format. Aber Mau-
ricio Kagel wollte ja generell mit
seinem Werk Erwartungshaltun-
gen unterlaufen. Schon in seinen
Streichquartetten mussten Musi-
ker die Saiten ihrer Instrumente mit
Stricknadeln, Büroklammern oder
Streichhölzern präparieren, um so
zu verhindern, dass der tradierten
Klangvorstellung gefrönt wurde.
Gerade deshalb mag es ver-
wundern,
wenn
es
in
die-
ser Aufnahme seiner drei Kla-
viertrios erst in zweiter Linie
um
Kagels
lustvolle
Dekons-
truktionen zu gehen scheint. Im
Vordergrund - und das ist vor al-
lem dem ungeheuer temperament-
voll, aber auch feinnervig aufspie-
lenden Trio Image geschuldet -
steht die Austarierung des kam-
mermusikalischen Materials. Tän-
zerisches ist auszumachen, durch-
aus sich weiterentwickelnde Moti-
ve, auch die Tonalität bleibt oft ge-
wahrt, aber hinter der traditionell
wirkenden Fassade aus Violine, Cel-
lo und Klavier bröckelt alles. Wie
in Zeitlupe zerdehnen sich lang-
gezogene Melodien, Stücke treten
auf der Stelle, motivische Zellen
kreisen umeinander. Es geht Ka-
gel um die bekannt-beliebten Fo-
lien des Genres, die hier auf- und
gleich wieder camouflageähnlich
überdeckt werden.
So beginnt das dreisätzige „Trio I“
von
1984/85
getragen. Die Vio-
line muss meist am oberen Ton-
spektrum agieren, das Klavier re-
zitiert wieder und wieder ein einfa-
ches rhythmisches Grundmotiv. Da
setzt die Violine schockhaft plötz-
lich zum virtuosen Abwärtslauf an,
wird wenig später vom Klavier imi-
tiert, während das Cello mit Pizzica-
ti sekundiert. Immer wieder wech-
seln die Instrumente ihre Rollen.
Und doch ist, bei aller Irritation,
musikantisch alles von erlesen ku-
linarischer Qualität.
Tilman Urbach
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★ ___________
Beflügelndes Ruhrgebiet
„Die Pianisten der Welt beflügeln Europas neue Metropole“ heißt es im Untersatz zum Programm des
Klavier-Festivals Ruhr 2014. Pianistisch gesehen ist die Region zwischen Rhein und Ruhr schon seit
einem Vierteljahrhundert, also seit G ründung des Festivals, eine Metropole, in der Jahr für Jahr die
Weltelite des Klaviers neben spannenden Nachwuchstalenten zu erleben ist. In diesem Jahr findet das
Klavier-Festival Ruhr vom 9. Mai bis zum 12. Juli statt und steht gleich unter m ehreren Vorzeichen:
Zum einen würdigt das Festival den 150. Geburtstag von Richard Strauss, wartet darüber hinaus aber
auch m it einem Beethoven-Gipfel, der „spannenden Welt der Etüden“, m it Repertoire für die linke
Hand und einer großen Portion Jazz auf. Wie im m er werden die großen Namen der Zunft vertreten
sein. M it Leon Fleisher, der auch m it 85 Jahren nichts von seiner pianistischen Energie verloren hat,
sitzt beim Eröffnungskonzert am 9. Mai eine wahre Legende am Flügel. Hören kann m an ihn mit
den beiden Klavierkonzerten für die linke Hand von Sergej Prokof ew und Maurice Ravel. Weitere
internationale Künstler, auf die m an sich freuen kann, sind unter anderen M artha Argerich, Daniel
Barenboim, Elisabeth Leonskaja, Grigory Sokolov, Krystian Zim erm an, Evgeny Kissin, M aria Joäo
Pires und M arc-André Hamelin. Aus der Welt des Jazz geben sich Größen wir Chick Corea, Till
Brönner und Chilly Gonzales die Klinke in die Hand.
Weitere Infos: klavierfestival.de
ohann Sebastian Bach
BRANDENBURGISCHE KONZERTE
Freiburger Barockorchester
Harmonia mundi 2 CDs
(90')
Der tiefe Stimmton von
392
Hz
sorgt für einen wunderbar warmen
Klang in den Streichern, mit dem
sich die Freiburger wohltuend von
manchen eher spröde tönenden Al-
te-Musik-Kollegen abheben. Eben-
falls harmonisch präsentiert sich
das Ensemble in der Wahl der Tem-
pi. Die Ecksätze haben mehr Drive
als die oft feierlich interpretierten Al-
legri des Bach Collegiums unter Ma-
saaki Suzuki, klingen jedoch nicht
so getrieben wie bisweilen bei Sieg-
bert Rampe (La Stravaganza) oder
J. E. Gardiner (English Baroque Solo-
ists). Die Solisten meistern die enor-
men Aufgaben, die Bachs Notentext
ihnen abverlangt, hochsouverän.
mfv
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Diverse Kom ponisten
HOMMAGE TO HOROWITZ
Nikolai Tokarev
Sony CD______________________________ (64)
Nikolai Tokarevs Hommage an den
von ihm verehrten Vladimir Horo-
witz bietet neben barocken und
galanten Sonaten Liszts mächtige
Fantasie über zwei Themen aus Mo-
zarts „Die Hochzeit des Figaro“, auf
die drei Chopin-Mazurken folgen,
um über zwei Skrjabin-Etüden mit
Alexander Rosenblatts Liszt-Fanta-
sy final romantisches Virtuosenfeu-
erwerk in zeitgenössischem Klang-
gewand zu entfachen. So ist die-
ses hoch anspruchsvolle und viel-
seitige Programm nicht nur eine
Reverenz des jungen Künstlers an
das große Vorbild, sondern es zeigt
auch die ganz eigenen Wege, die
der
1983
geborene Pianist geht.
In den Sonaten von Scarlatti und
Cimarosa gibt es zunächst Toka-
revs strenges Formbewusstsein zu
bewundern. Mit kristallklarer Arti-
kulation bringt er diese Edelstei-
ne der Tastenkunst zum Funkeln.
Liszts Mozart-Fantasie führt den
Hörer dann in den Zirkusring der
Prankenakrobatik.
Doch mehr als die flinken Finger
und die gewaltigen Akkordkaska-
den fasziniert, mit welcher Sensi-
bilität Tokarev die Melodie der Che-
rubino-Arie „Voi che sapete“ into-
niert und trotz der virtuosen Verar-
beitung des Themas nie den scheu-
en, erotisch-fragilen Grundton der
Arie aus den Augen verliert. So be-
rühren auch die Chopin-Mazurken
durch einen ganz eigenen melan-
cholisch-verhaltenen Ton, und Skr-
jabins dis-Moll-Etüde baut der Rus-
se langsam mit sehrender Leiden-
schaft auf, statt gleich mit plum-
per Dramatik zu überrumpeln. Auch
wenn Nikolai Tokarev über die pyro-
technischen Möglichkeiten pianis-
tischer Machtentfaltung anschei-
nend grenzenlos verfügt, überzeugt
er vor allem durch die Zurückhal-
tung, mit der er seine technischen
Mittel zur musikalischen Feinzeich-
nung einsetzt.
Frank Siebert
MUSIK
KLANG
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
STEREO 5/2014 141